Die große Liebe (Erzählung)

Fiction & Literature, Literary
Cover of the book Die große Liebe (Erzählung) by Hans Fallada, Books on Demand
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Author: Hans Fallada ISBN: 9783746000138
Publisher: Books on Demand Publication: January 3, 2018
Imprint: Language: German
Author: Hans Fallada
ISBN: 9783746000138
Publisher: Books on Demand
Publication: January 3, 2018
Imprint:
Language: German

Als sie sich kennenlernten, waren beide strahlend jung. Sie siebzehn, er siebzehn. Kam er abends aus der Werkstätte, wartete sie schon auf ihn. Nebeneinander gingen sie nach Haus, er in seinem blauen Kittel, schwarz von Ruß und Öl, die leere Emaillekanne in der Hand schlenkernd, sie in weißer Bluse und faltigem Rock, umsonst bemüht, Takt zu halten mit seinen weitgespannten Schritten. Meistens hatten sie noch Zeit, und weil es halb auf ihrem Weg lag, gingen sie an den Hafen und setzten sich dort auf eine Bank. Der Fluß trieb sachte dahin, es roch nach Teer, eine Winde knarrte. Er erzählte vom Hof, aus dem er stammte, sie gingen durch den Garten, ein Kartoffelacker, Kiefernkuscheln, Dünensand - und soweit der Blick reichte, brandete Meer blau, grün und weiß gegen den hellen Sand. Er beugte sich vor, sein Auge, blau wie jenes, streng und unbestechlich, schien die See zu schauen, von der er sprach, seine schmale, lange Nase roch den Duft von Tang und Teer, und der ernste, halb geöffnete Mund atmete wohl jener Brise entgegen, die gleich, gleich sich aufmachen mußte. Sie stammte aus einer kleinen Stadt, aus einfachem Bürgerhause. Unterdrückt von der rechthaberischen Mutter, tyrannisiert von der älteren Schwester, die klüger und härter als die jüngere war, hatte sie ewig in Angst gelebt, und das Gefühl war in ihr dicht geworden, dumm und unfähig zu sein, nichts wert. Ihre zarte blonde Schönheit hatten sie durch unmögliche Kleider verschandelt, ihre Demut ausgenützt, ihre Liebesbedürftigkeit verachtet. Immer hatte sie im Dunkeln gestanden, bestraft, und war sie einmal straffrei, lag wie ein Alp auf ihr die Furcht vor den andern, der Zukunft, all und jedem. Nun, aufs Seminar gekommen, war sie zum ersten Mal frei, ein ans Dunkle gewöhnte Auge versuchte blinzelnd, in das Licht zu schauen, lieber noch barg sie es im Schatten des Jünglings neben sich. Er wußte vom Segeln und Schwimmen, von Hasenjagden und wilden Reiterfesten. Am liebsten wäre er Seemann geworden. "Nun werde ich Schiffe bauen." Er war so stark, doch war er auch fein. Er verstand gut, erzählte sie ihm die kleinen großen, immer noch nicht überwundenen Unglücksfälle ihrer Kinderzeit, warum ihr Lächeln noch weich und gewinnend war, über Tränen hinweg, auf die seinetwillen verzichtet wurde. Diese unseligen beiden Frühstückssemmeln, die ihre Mutter aus Gesundheitsrücksichten verordnet und die sie nie hatte essen können! Sie schmuggelte sie heimlich in ihre Kommode, sie häuften sich dort und wurden eines ...

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Als sie sich kennenlernten, waren beide strahlend jung. Sie siebzehn, er siebzehn. Kam er abends aus der Werkstätte, wartete sie schon auf ihn. Nebeneinander gingen sie nach Haus, er in seinem blauen Kittel, schwarz von Ruß und Öl, die leere Emaillekanne in der Hand schlenkernd, sie in weißer Bluse und faltigem Rock, umsonst bemüht, Takt zu halten mit seinen weitgespannten Schritten. Meistens hatten sie noch Zeit, und weil es halb auf ihrem Weg lag, gingen sie an den Hafen und setzten sich dort auf eine Bank. Der Fluß trieb sachte dahin, es roch nach Teer, eine Winde knarrte. Er erzählte vom Hof, aus dem er stammte, sie gingen durch den Garten, ein Kartoffelacker, Kiefernkuscheln, Dünensand - und soweit der Blick reichte, brandete Meer blau, grün und weiß gegen den hellen Sand. Er beugte sich vor, sein Auge, blau wie jenes, streng und unbestechlich, schien die See zu schauen, von der er sprach, seine schmale, lange Nase roch den Duft von Tang und Teer, und der ernste, halb geöffnete Mund atmete wohl jener Brise entgegen, die gleich, gleich sich aufmachen mußte. Sie stammte aus einer kleinen Stadt, aus einfachem Bürgerhause. Unterdrückt von der rechthaberischen Mutter, tyrannisiert von der älteren Schwester, die klüger und härter als die jüngere war, hatte sie ewig in Angst gelebt, und das Gefühl war in ihr dicht geworden, dumm und unfähig zu sein, nichts wert. Ihre zarte blonde Schönheit hatten sie durch unmögliche Kleider verschandelt, ihre Demut ausgenützt, ihre Liebesbedürftigkeit verachtet. Immer hatte sie im Dunkeln gestanden, bestraft, und war sie einmal straffrei, lag wie ein Alp auf ihr die Furcht vor den andern, der Zukunft, all und jedem. Nun, aufs Seminar gekommen, war sie zum ersten Mal frei, ein ans Dunkle gewöhnte Auge versuchte blinzelnd, in das Licht zu schauen, lieber noch barg sie es im Schatten des Jünglings neben sich. Er wußte vom Segeln und Schwimmen, von Hasenjagden und wilden Reiterfesten. Am liebsten wäre er Seemann geworden. "Nun werde ich Schiffe bauen." Er war so stark, doch war er auch fein. Er verstand gut, erzählte sie ihm die kleinen großen, immer noch nicht überwundenen Unglücksfälle ihrer Kinderzeit, warum ihr Lächeln noch weich und gewinnend war, über Tränen hinweg, auf die seinetwillen verzichtet wurde. Diese unseligen beiden Frühstückssemmeln, die ihre Mutter aus Gesundheitsrücksichten verordnet und die sie nie hatte essen können! Sie schmuggelte sie heimlich in ihre Kommode, sie häuften sich dort und wurden eines ...

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